Nach Medienberichten über Kartellvorwürfe gegen vier deutsche Autohersteller hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eine umfassende Aufklärung des Verdachts gefordert. "Die Kartellbehörden müssen ermitteln, die Vorwürfe detailliert untersuchen und gegebenenfalls notwendige Konsequenzen ziehen", teilte Dobrindt mit. 
Volkswagen mit seinen Töchtern Audi und Porsche sowie BMW und Daimler stehen unter Verdacht, seit den 1990er Jahren illegale Absprachen über Technik, Kosten und Zulieferer ihrer Fahrzeuge getroffen zu haben. Der Spiegel berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über die Vorwürfe.  
Die EU-Kommission will den Kartellvorwurf überprüfen. "Die Europäische Kommission und das Bundeskartellamt haben diesbezüglich Informationen erhalten, welche zur Zeit von der Kommission geprüft werden", hieß es in Brüssel. Die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden kooperierten bei solchen Themen eng miteinander. Es sei aber zu diesem Zeitpunkt verfrüht, weiter zu spekulieren. Laut Spiegel beschlagnahmte die Kommission bei den beteiligten Unternehmen bereits Unterlagen und befragte erste Zeugen.
Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) forderte die Autohersteller auf, mit staatlichen Stellen zu kooperieren und für Transparenz zu sorgen. Es gehe um die Glaubwürdigkeit der deutschen Automobilindustrie, sagte sie: "Die Zeit der Salamitaktik muss endgültig vorbei sein. Ohne umfassende Aufklärung kann Vertrauen nicht wiederhergestellt werden."  

"Kein Mensch glaubt mehr an den Diesel"

Cem Özdemir sagte, wenn sich der Verdacht erhärte, sei das "ein weiterer Tiefpunkt für die traditionsreiche deutsche Autobranche". Der Grünen-Chef forderte politische Konsequenzen: "Der eigentliche Skandal ist, dass der zuständige Bundesverkehrsminister Dobrindt die Betrügereien von Teilen der Autoindustrie konsequent seit Bekanntwerden des Abgasskandals nicht aufklärt", sagte Özdemir dem Spiegel.
Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer sagte dem MDR zu den Vorwürfen: "Das ist natürlich eine Erschütterung für die Autoindustrie." Deren Glaubwürdigkeit werde weiter erschüttert. "Kein Mensch glaubt mehr an den Diesel."
Dem Kartellrechtler Christian Kersting von der Universität Düsseldorf zufolge seien Klagen von Pkw-Käufern möglich. "Die Frage ist, ob Autos durch mögliche Kartellabsprachen auf einem schlechteren technischen Stand verkauft wurden, als sie hätten sein können", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Das könnte ein argumentativer Ansatz sein. Klagen von Autokäufern sind deshalb nicht ausgeschlossen." Vor Gericht sei es aber sehr schwer nachzuweisen, dass ein finanzieller Schaden entstanden sei.

Autohersteller äußern sich nicht

Die Autohersteller äußerten sich bislang nicht zu den Vorwürfen. Sie gaben lediglich bekannt, sich nicht an Spekulationen zu beteiligen. Das Bundeskartellamt teilte mit, zu laufenden Verfahren grundsätzlich keine Auskünfte zu geben. VW und Daimler sollen laut Spiegel Selbstanzeigen in Form von Schriftsätzen bei den Kartellbehörden eingereicht haben. VW soll erklärt haben, dass "der Verdacht" bestehe, dass es zu "kartellrechtswidrigem Verhalten" gekommen sei. Den Autoherstellern drohen Strafen im Milliardenbereich, sollte sich der Verdacht erhärten. Es wäre eines der größten Kartelle der deutschen Wirtschaftsgeschichte.
Auch die Abgasreinigung bei Dieselfahrzeugen soll den Berichten zufolge ein Thema der Absprachen gewesen sein. VW hatte nach Ermittlungen in den USA vor zwei Jahren eingeräumt, in Millionen von Fahrzeugen Abgasmessungen durch den Einsatz einer Software manipuliert zu haben. Diese sorgte dafür, dass die Autos bei Tests der Behörden weniger Schadstoffe ausstießen als im Verkehr. Auch andere Autohersteller, darunter Daimler, sehen sich mit solchen Vorwürfen konfrontiert.
http://www.zeit.de/mobilitaet/2017-07/diesel-skandal-volkswagen-audi-porsche-daimler-kartell